BR - Lizzie Doron - Who the fuck is Kafka




 Titel: Who the Fuck is Kafka
 Reihe: -
 Autor: Lizzie Doron
 Genre: Roman
 Verlag: dtv premium
 Seitenzahl: 255 Seiten
 Preis: 9,90€








Da waren ein Mann und eine Frau, die im selben Land geboren worden waren, für den einen hieß es Palästina, für die andere Israel, die Hauptstadt des einen war auch die Hauptstadt der anderen - nur nannte er sie El Kuds, und sie Jerusalem. Er sprach nicht Hebräisch und sie nicht Arabisch. Bestimmt dachte auch Nadim in diesem Augenblick, wie weit zwei Menschen im selben Land voneinander entfernt sein konnten, auch wenn nur fünfzig Autominuten sie trennten.

Lizzie, eine israelische Schriftstellerin, fährt zu einer israelisch-plästinensischen Friedenskonferenz nach Rom. Seit Jahren schon setzt sie sich für ein Ende der blutigen und gewaltsamen Auseinandersetzungen ein, damit ihre Kinder in einer anderen, friedlicheren Welt aufwachsen können als sie selbst. In Rom lernt sie Nadim kennen, einen palästinensischen Journalisten. Sie, die sie hier auf einer Friedenskonferenz tagen, könnten doch mit gutem Beispiel voran gehen und eine Freundschaft bar jeder Vorurteile aufbauen, oder nicht?
Doch ganz so einfach wie einem die Vernunft es glauben machen will ist es längst nicht. Immer wieder ertappt sich Lizzie dabei, wie sie Nadim unter denselben Generalverdacht stellt, wie es ihr Volk mit fast allen Arabern tut. Trägt er nicht etwa doch einen Sprengstoffgürtel unter seinem Hemd? Und auch Nadim fällt es schwer, Lizzie nicht das vorzuwerfen, was andere seinem eigenen Volk angetan haben, die täglichen Schikanen, die beamtliche Willkür, die Schüsse, bevor Fragen gestellt werden. Beide sind gewillt sich einander zu öffnen, können aber doch nicht aus ihrer Haut. Mühsam lernen beide, wie schwierig es ist, sich von seiner eigenen Vergangenheit und der der eigenen Eltern loszusagen und über seinen Schatten zu springen.

Dieses Buch hat mich auf meinem Trip nach Südengland begleitet. Und es ist keineswegs die leichte Urlaubslektüre, die man sich vielleicht sonst einpackt. Aber aus (traurigerweise eigentlich fast immer) aktuellem Anlass hat mich die Thematik, dieser tief sitzende Konflikt und der Aspekt der Völkerverständigung, der Versuch sich anzunähern, so sehr angesprochen, dass ich diesem Buch meine freie Zeit nur zu gerne gewidmet habe.
Zunächst einmal herrschte ein bisschen Irritation. Die Protagonistin erzählt die Geschichte aus ihrer Sicht, also aus der Ich-Perspektive, und wenn ich mich recht erinnere erfährt man nicht einmal ihren Namen. Erst später, im Laufe des Buches, ist mir aufgegangen, dass es sich bei dieser Hauptfigur um die Autorin selbst handelt, eine israelische Schriftstellerin, die um den Frieden zwischen Israelis und Palästinensern bemüht ist. Also eine autobiographische Erzählung? Zum Teil auf jeden Fall. Nadim jedoch, das erwähnt die Autorin zu Beginn des Buches, ist eine fiktive Figur, in der Einflüsse so vieler ihrer arabischen Freunde zusammenspielen. Es ist also halb wahr, halb fiktiv, wenn man so will. In jedem Fall eine interessante Variante und Möglichkeit, die eigene Geschichte aufzuarbeiten.
Die Freundschaft, die sich zwischen Lizzie und Nadim entspinnt und auf deren Grundlage sie seine Geschichte aufschreiben und er einen Film über sie drehen will, ist so wechselhaft wie das momentane Aprilwetter. An guten Tagen ist Nadim ein wirklich liebenswerter Kerl, an schlechten beißt und tritt und hackt er verbal nach allem, was Lizzie sagt oder tut. Doron versteht sehr gut, die tiefsitzende Angst in Lizzie und den über Jahre, Jahrzehnte hinweg angestauten Frust in Nadim zum Ausdruck zu bringen. Manchmal hat man das Gefühl Nadim gibt sich wirklich Mühe, dann wieder scheint es ihm nur darauf anzukommen Lizzie für das zu bestrafen, was seine Familie erdulden muss, sie dafür zu instrumentalisieren der Welt seine eigene Geschichte in einem besseren Licht zu erzählen.
Auch die Rolle des Westens ist aufgegriffen worden, dass es ihnen immer deutlich leichter fällt eine Seite als die Gute und eine als die Böse zu betrachten. Denn das Leben ist schließlich einfacher in schwarz und weiß. Es war für mich dagegen absolut unmöglich zu sagen: Sie hat Recht, ihre Geschichte ist die Schlimmere. Oder er hat Recht, was er und seine Familie durchmachen müssen, ist unfassbar. Unfassbar, das ist eigentlich überhaupt das richtige Wort für das, was in Jerusalem und Tel Aviv passiert. In jedem Fall aber hat Lizzie Doron mich für diese Thematik sensibilisieren können.

Ein sehr ausdrucksstarker, tiefgehender Roman über die Altlasten der eigenen Vergangenheit, Vorurteile, Unverständnis, den Versuch der Verständigung, des Aufeinanderzugehens und seine harten, aber sehr realen Grenzen. 


Aussehen: ♥♥♥♥♥
 Spannung: ♥♥♥♥
 Schlüssigkeit: ♥♥♥
 Emotionale Tiefe: ♥♥♥♥
 Schreibstil: ♥♥♥♥









Keine Kommentare :

Kommentar veröffentlichen

Related Posts Plugin for WordPress, Blogger...